Das Göttliche - On the Divine
J. W. von Goethe

On the Divine

Let man be noble,
Generous and good;
For that alone
Distinguishes him
From all the living
Beings we know.

Hail to the unknown
Higher beings
Of our intuition!
Let man resemble them;
Let his example
Teach us to believe in them.

For the realm of nature
Is unfeeling;
The sun sheds its light
Over evil and good
And the moon and the stars
Shine on the criminal
As on the best of us.

The wind and the rivers
The hail and the thunder
Storm on their way
And snatch one victim
After another
As they rush past.

So too does blind fortune
Grope through the crowd, now
Seizing a young boy’s
Curly-haired innocence
And now the bald pate
Of the old and guilty.

As great, everlasting,
Adamantine laws
Dictate, we must all
Complete the cycles
Of our existence.

Only mankind
Can do the impossible:
He can distinguish,
He chooses and judges,
He can give permanence
To the moment.

He alone may
Reward the good
And punish the wicked;
He may heal and save
And usefully bind
All that strays and wanders.

And we revere
The immortals, as if
They were human beings
Who do on a great scale
What little the best of us
Does or endeavors.

Let the noble man
Be generous and good,
Tirelessly achieving
What is just and useful:
Let him be a model
For those beings whom he surmises.

Translation David Luke

Das Göttliche

Edel sei der Mensch,
Hilfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.
 
Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch! 
Sein Beispiel lehr uns
Jene glauben.
 
Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.
 
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen
Vorüber eilend
Einen um den andern.
 
Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.
 
Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.
 
Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.
 
Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen,
Heilen und retten,
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.
 
Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Täten im Großen,
Was der Beste im kleinen
Tut oder möchte.
 
Der edle Mensch
Sei hilfreich und gut!
Unermüdet schaff er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahneten Wesen!